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© 1991-2017 C. Kochinke, Rechtsanwalt u. Attorney at Law, Washington, DC, USA


Der Entschädigungsfonds für die Opfer des 11. September

Von Bernhard Gleissner *

I. Einführung

Die Ereignisse des 11. September 2001 in Washington und New York haben auch zahlreiche deutsche Opfer hervorgebracht. Dieser Bericht vermittelt einen Überblick über Ansprüche Deutscher auf Mittel des neuen Entschädigungsfonds sowie über die für die Geltendmachung wesentlichen Bestimmungen.

Der Entschädigungsfonds ist als 4. Titel des Air Transportation Safety and System Stabilization Act (Public Law 107-42) als Reaktion auf die terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 vom amerikanischen Kongress erlassen und vom amerikanischen Präsidenten am 22. September 2001 in Kraft gesetzt worden. Die vorläufige Fassung (“interim final rule”) der Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz, die sogenannten "Regulations", trat am 21. Dezember 2001 in Kraft. Um den durchschnittlichen Entschädigungsbetrag zu erhöhen bzw. gewisse verfahrenstechnische Erleichterungen herbeizuführen, wurde die Durchführungsverordnung nochmals überarbeitet. Die endgültige Fassung der “Regulations” (“final rule”) trat schliesslich am 13. März 2002 in Kraft.

Dieser Entschädigungsfonds hat zum Ziel, den Opfern bzw. deren Hinterbliebenen eine schnelle, unbürokratische Hilfe zu ermöglichen, da diese sonst auf den unter Umständen langwierigen Weg einer gerichtlichen Auseinandersetzung verwiesen wären (Art. 403 des Public Law 107-42).

II. Entschädigungsberechtigter Personenkreis

1. Da der Fonds nicht auf amerikanische Staatsbürger beschränkt ist, sollen auch ausländische Opfer und demnach auch Deutsche in den Genuss der Leistungen kommen.

2. Entschädigung können allein folgende Personen beantragen:

a) Jeder, der sich zum Zeitpunkt des Unglücks oder unmittelbar danach im World Trade Center, im Pentagon oder in Shanksville, Pennsylvania, aufhielt und körperliche Schäden, die unmittelbar auf die Anschläge zurückzuführen sind, davontrug (Art. 104.2 (a) (1) der Regulations). Gleiches gilt für die Passagiere und die Besatzung der American Airlines Flüge 11 und 77 und der United Airlines Flüge 93 und 175.

b) Im Todesfall steht dieses Recht dem Vertreter des Nachlasses ("Personal Representative") zu (Art. 104.2 (a) (3) der Regulations). Hierzu muss man wissen, dass das amerikanische Recht grundsätzlich keine Gesamtrechtsnachfolge zugunsten des Erben bzw. der Erbengemeinschaft kennt. Der Nachlass ist vielmehr eine selbständige juristische Person, welche, um handlungsfähig zu sein, eines Vertreters bedarf. Dieser Vertreter, im Amerikanischen "Personal Representative", "Administrator" oder auch "Executor" genannt, kann vom Erblasser bereits im Testament bestimmt werden und wird vom Gericht in sein Amt eingesetzt. Liegt keine entsprechende letztwillige Verfügung vor, so wird der Vertreter des Nachlasses vom Gericht bestimmt. Da diese Bestimmung zum Teil zu komplexen und langwierigen Rechtsstreitigkeiten führt, was unvereinbar mit dem Regelungszweck des Entschädigungsfonds ist, bestimmt Art. 104.4 (a) (2) der Regulations, dass der Sonderbeauftragte des Entschädigungsfonds ("Special Master") zum Zweck des Entschädigungsverfahrens nach eigenem Ermessen den Vertreter bestimmen kann, sofern nicht bereits eine gerichtliche Ernennung vorliegt. Der Sonderbeauftragte ernennt dann die in einer letztwilligen Verfügung bestimmte Person bzw. wenn eine solche Bestimmung nicht vorliegt, die mit dem Erblasser nach dem Recht des Herkunftsstaates des Erblassers am nächsten verwandte Person.

III. Ersatzfähiger Schaden

Ersatz wird allein für Gesundheitsschäden und im Todesfall gewährt, sofern diese Schäden unmittelbar auf die terroristischen Anschläge zurückzuführen sind (Art. 104.1 der Regulations). Ein solcher Zusammenhang wird gerade auch bei Verletzungen infolge Rettungshandlungen angenommen. Bei Gesundheitsschäden ist folgendes zu beachten: Sie gewähren grundsätzlich nur dann ein Recht auf Entschädigung, wenn die Verletzung innerhalb von 24 Stunden nach ihrem Eintritt bzw. nach der Rettung des Opfers ärztlich behandelt wurde und die Verletzung entweder die stationäre Behandlung des Opfers für mindestens 24 Stunden oder ein zumindest vorübergehendes Gebrechen bzw. eine körperliche Entstellung zur Folge hatte (Art. 104.2 (c) der Regulations). Eine ärztliche Behandlung des Opfers innerhalb von 72 Stunden nach Eintritt der Verletzung soll aber dann ausreichend sein, wenn das Opfer nicht in der Lage war, das Ausmass der Verletzung einzuschätzen oder ärztliche Hilfe am Tag des Unglücks nicht verfügbar war. Eine weitere Sonderregelung gilt für Rettungskräfte. Für diese kann der Sonderbeauftragte nach seinem Ermessen eine längere Zeitspanne bestimmen, wenn diese innerhalb der erwähnten 72 Stunden keine ärztliche Hilfe erlangen konnten.

Sonstige Schäden, insbesondere Sachschäden, werden dagegen nicht ersetzt.

IV. Entschädigungshöhe

1. Im Todesfall setzt sich der Betrag aus einem Anteil für den erlittenen Vermögensschaden sowie aus immateriellem Schadensersatz zusammen. Der immaterielle Schadensersatz, d.h. der Ersatz für den ideellen Verlust eines Angehörigen, ist einheitlich auf 250.000 $ für jeden Verstorbenen zuzüglich 100.000 $ für jeden seiner Unterhaltsberechtigten festgelegt (Art.104.44 der Regulations). Der erlittene Vermögensschaden orientiert sich nach dem zu erwartenden künftigen Erwerbseinkommen des Opfers, wobei bei besonders hohen Einkünften Höchstbeträge vorgesehen sind (Art. 104.43 (a) der Regulations). Eine ausführliche Übersicht über die zu erwartende Entschädigung findet sich in tabellarischer Form unter http://www.usdoj.gov/victimcompensation/loss_calc. Der Entschädigungsfonds sieht im Todesfall eine Mindestentschädigung für sämtliche erlittene materielle und immaterielle Schäden vor, welche bei alleinstehenden Opfern bei 300.000 $ und bei verheirateten bzw. unterhaltsverpflichteten Opfern bei 500.000 $ liegt (Art. 104.41 der Regulations). 2. Im Verletzungsfall berechnet sich der Vermögensschaden nach den jeweiligen Umständen, insbesondere nach dem Verdienstausfall, den Behandlungskosten und den sonstigen Nachteilen für das berufliche Fortkommen des Opfers (Art. 104.45 der Regulations). Der immaterielle Schaden richtet sich nach der Schwere der Verletzung (Art. 104.46 der Regulations). Eine Mindestentschädigung im Verletzungsfall existiert dagegen nicht.

3. Geldbeträge, die die Opfer von Wohltätigkeitsorganisationen erhalten haben, werden auf die Entschädigung nicht angerechnet (Art. 104.47 (b) der Regulations). Gleiches gilt auch für Steuervergünstigungen, die auf der Grundlage des “Victims of Terrorism Tax Relief Act” gewährt werden (Art. 104.47 (b) Abs. 3 der Regulations). Anzurechnen sind jedoch gem. Art. 104.47 (a) der Regulations in der Regel Lebensversicherungen, Sozialversicherungsleistungen sowie sonstige staatliche Leistungen, die anlässlich der terroristischen Anschläge gewährt wurden (sogenannte “collateral source compensation”). Der Sonderbeauftragte des Entschädigungsfonds kann dabei jedoch die abzuziehenden Beträge um etwaige Beitragsleistungen, die das Opfer zu seinen Lebzeiten erbracht hat, mindern (Art. 104.47 (a) der Regulations).

V. Geltendmachung der Entschädigung

1. Um einen Antrag auf Entschädigung zu stellen, müssen zwei Formulare eingereicht werden: Zum einen das "Anerkennungs- und Vorschussformular" ("Eligibility Form and Application for Advance Benefits") sowie ein Formular entweder für den Verletzungsfall oder für den Todesfall ("Injury or Death Compensation Form") (Art. 104.21 (a) der Regulations). Letztere Formulare sind zur Zeit jedoch noch nicht erhältlich. Das "Anerkennungs- und Vorschussformular" kann unter der Telefonnummer (001)202-305-1352 angefordert werden bzw. findet sich unter http://www.usdoj.gov/victimcompensation.

2. Eingereicht werden die Formulare per Post. Die Adresse lautet:

Victim Compensation Fund
P.O. Box 18698
Washington, D.C. 20036-8698

In eiligen Fällen, insbesondere bei einem Antrag auf Vorschussleistung, kann der Antrag auch per Fax eingereicht werden:

Fax-Nummer: (001)-301-987-8600

In diesem Fall muss das Original aber später noch postalisch nachgereicht werden. 3. Den Antragsformularen sind Nachweise beizufügen, die die Anwesenheit der geschädigten Person am Unglücksort bzw. ihren Tod oder ihre Verletzung belegen (Art. 104.21 (b) (3) der Regulations). In Betracht kommen hier insbesondere ein Totenschein bzw. ein ärztliches Attest oder auch ein Nachweis der jeweiligen Fluggesellschaft. Auch sollen Angaben zum Einkommen des Opfers und sonstiger bereits gewährter Entschädigungen gemacht werden und gegebenenfalls die entsprechenden Nachweise beigefügt werden. Im Todesfall ist auch ein Nachweis der Eigenschaft als Vertreter des Nachlasses ("Personal Representative") erforderlich. Sofern diesbezüglich keine gerichtliche Anodnung bzw. ein testamentarischer Wille vorliegt, bieten sich hierbei für Ehegatten die Heiratsurkunde und für Kinder deren Geburtsurkunde an. Der Sonderbeauftragte kann im übrigen zugunsten nichtamerikanischer Antragsteller die Anforderungen an die Nachweise modifizieren, wenn die geforderten Unterlagen im jeweiligen Herkunftsland nicht erhältlich sind (Art. 104.5 der Regulations). Aus der Erfahrung anwaltlicher Tätigkeit im transatlantischen Rechtsverkehr ist damit zu rechnen, dass Anwaltsgutachten über das anwendbare Recht sowie eidesstattliche Versicherungen (sogenannte "Affidavits") von entscheidender Bedeutung sein dürften.

VI. Weiterer Verfahrensgang

1. Nach dem Einreichen der Formulare gibt es zwei mögliche Verfahrenswege, zwischen denen der Antragsteller im Rahmen des zweiten einzureichenden Formulars ("Injury or Death Compensation Form") wählen kann:

a) Wählt der Antragsteller "Weg A" ("Track A"), stellt der Sachbearbeiter den Anspruch des Opfers fest und legt zugleich die Höhe der Entschädigung fest. Dabei wird der Antragsteller darauf hingewiesen, dass ihm das Recht zusteht, eine mündliche Verhandlung vor dem Sonderbeauftragten des Entschädigungsfonds ("Special Master") bzw. seinem Stellvertreter zu begehren (Art. 104.31 (b) (1) der Regulations). Das Opfer kann sich demnach entweder mit der festgesetzten Entschädigung begnügen oder eine weitere Überprüfung im Wege der mündlichen Verhandlung verlangen, bei der der Antragsteller besondere Umstände darlegen kann, die eine von den üblichen Sätzen abweichende Entschädigung rechtfertigen. Dabei ist aber zu beachten, dass solche Tatsachen bzw. Nachweise innerhalb von 21 Tagen nach der Benachrichtigung von der Höhe der Entschädigung vorzubringen sind (Art. 104.33 (a) der Regulations). Die auf das Nachprüfungsverfahren hin ergehende Entscheidung ist endgültig und bindend.

b) Wählt der Antragsteller "Weg B" ("Track B"), so legt der Sachbearbeiter zunächst nur fest, ob grundsätzlich ein Entschädigungsrecht besteht. Anschliessend kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, bei der die Entschädigung verbindlich festgelegt wird (Art. 104.31

(b) (2) der Regulations). Es gilt wiederum, dass neue Tatsachen und Nachweise innerhalb von 21 Tagen nach Benachrichtigung vom Bestehen des Entschädigungsrechts vorzubringen sind (Art. 104.33 (a) der Regulations). Gegen die aufgrund der mündlichen Verhandlung ergehende Entscheidung besteht kein Rechtsmittel. 2. Kommt der Sachbearbeiter zu dem Ergebnis, dass einem Antragsteller gar keine Entschädigung zusteht, so kann der Antragsteller beim Sonderbeauftragten oder dessen Stellvertreter Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einlegen (Art. 104.32 der Regulations).

3. Der Antragsteller kann sich zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens von einem Rechtsanwalt vertreten lassen (Art. 104.33 (d) der Regulations). Im Rahmen einer etwaigen mündlichen Verhandlung sind als Beweismittel zur Bestimmung des Entschädigungsrechts bzw. der Höhe der Entschädigung auch ein Zeugenbeweis und ein Sachverständigenbeweis zulässig (Art. 104.33 (d) der Regulations).

VII. Frist

Der Antrag muss bis spätestens 22. Dezember 2003 bei der unter IV.2. genannten Anschrift eingereicht werden (Art. 104.62 der Regulations).

VIII. Vorschuss

Schliesslich ist noch darauf hinzuweisen, dass auch die Möglichkeit eines Vorschusses auf die Entschädigungssumme besteht: Dieser beträgt im Todesfall 50.000 $ und bei einem Krankenhausaufenthalt von mindestens einer Woche 25.000 $ (Art. 104.22 (a) der Regulations). Um einen solchen Vorschuss zu beantragen, muss Abschnitt 4 des "Anerkennungs- und Vorschussformulars" ("Eligibility Form and Application for Advance Benefits") ausgefüllt werden (Art. 104.22 (c) der Regulations).

IX. Bearbeitungszeit

Die Bearbeitungszeit der Anträge soll maximal vier Monate ab dem Zeitpunkt der Einreichung eines vollständig und ordnungsgemäss ausgefüllten Antrags betragen (Art. 104.21 (a) der Regulations). Ein etwaig beantragter Vorschuss soll bereits nach zwei Wochen ausgezahlt werden.

X. Rechtsverlust

Zu beachten ist abschliessend, dass der Antragsteller das Recht verliert, eine Zivilklage mit dem Gegenstand des Schadensersatzes infolge der terroristischen Anschläge vor einem amerikanischen Gericht zu erheben (Art. 104.61 (a) der Regulations), sobald der Sonderbeauftragte den Eingang zweier vollständig ausgefüllter Antragsformulare bestätigt. Im Falle der Beantragung eines Vorschusses tritt dieser Rechtsverlust bereits mit Benachrichtigung von dem vollständigen Ausfüllen des ersten der beiden Formulare ("Anerkennungs- und Vorschussformular") ein. Etwas anderes gilt nur dann, wenn mit der Klage die im Wege der Vorteilsausgleichung abgezogenen Beträge (“collateral source compensation”, s.o. IV. 3.) beigetrieben werden sollen bzw. an der terroristischen Tat Beteiligte verklagt werden. In diesen Fällen ist eine Klage auch weiterhin zulässig (Art. 104.61 (a) der Regulations).

XI. Hilfestellung

Der Entschädigungsfonds hat eine Telefonleitung eingerichtet, an die sich Betroffene bei etwaigen Fragen wenden können. Die Nummer lautet 1-888-714-3385 für Anrufe innerhalb der USA und (001)202-305-1352 für Anrufe aus dem Ausland.

XII. Ausblick

Angesichts des automatischen Rechtsverlusts bei Beantragung der Leistungen nach diesem Sondergesetz müssen potentielle Antragsteller die Rechtslage gründlich prüfen, bevor sie sich an diesem Verfahren beteiligen. Zu beachten ist dabei jedoch, dass in der Vergangenheit Sonderfonds wegen Verbrauchs der bereitgestellten Mittel teilweise schneller als erwartet ausgelaufen sind. Aber auch der Verzicht auf Rechte hat sich in anderen Fällen als nicht unumstösslich erwiesen. Insgesamt stellen sich daher nach amerikanischem Recht vielfältige Rechtsfragen, die im Einzelfall gründlich zu prüfen sind.


* Der Verfasser ist Rechtsreferendar am Landgericht Regensburg. Der Kurzbeitrag entstand im Rahmen seines Pflichtwahlpraktikums, das er zur Zeit bei der Kanzlei Berliner, Corcoran & Rowe, LLP, in Washington, D.C. ableistet. Er dankt Herrn Rechtsanwalt Clemens Kochinke, MCL, Attorney at Law, Berliner, Corcoran & Rowe, LLP für seine freundliche Unterstützung und Beratung bei der Erstellung dieses Berichts.

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